Bistum Hildesheim
Die Protokollbücher des Katholischen Gesellenvereins St. Joseph in Wolfenbüttel
Interessiert man sich für die Geschichte einer Kirche oder den Gemeindealltag, stößt man bei der Recherche u.a. auf handgeschriebene Protokollbücher katholischer Vereine, die mitunter schwer zu lesen sind. Diese Protokolle sind das Gedächtnis katholischer Vereine sowie ihrer Tätigkeiten und vergegenwärtigen, welche politischen oder gesellschaftlichen Themen die Mitglieder bewegten.
Die zuweilen schwer zu entziffernden Protokollbücher des katholischen Gesellenvereins St. Joseph in Wolfenbüttel wurden von Maria und Hubert Kaufhold in detailreicher Transkriptions-Arbeit der Öffentlichkeit sowie der Wissenschaft zugänglich gemacht. Diese Quelle dokumentiert in eindrucksvoller Weise das Vereinsleben zwischen den Jahren 1919 und 1935 und bietet einen detaillierten Blick auf die Gründung sowie die Entwicklung des Wolfenbütteler Vereins. Die konstante Führung der Bücher erlaubt es, tief in die Strukturen, die Organisation und den Alltag des katholischen Vereins hineinzublicken, einzelne Amtsträger über Jahrzehnte hinweg zu begleiten sowie zahlreiche Vereinsaktivitäten zu verfolgen. Weiterhin offenbaren die Sitzungsprotokolle, welche enge Verbindung zum kirchlichen Leben in Wolfenbüttel bestand, zumal der Kaplan zugleich Präses (Vorsteher) des Gesellenvereins war. Regelmäßig besuchten die Gesellen die Messe und beteiligten sich beispielsweise am Fronleichnamsfest, am Kirchweihfest, an der gemeinschaftlichen Kommunion sowie an den Katholikentagen.
Die Vereinssitzungen fanden in den ersten Jahren nach der Gründung 1919 zweiwöchentlich später wöchentlich statt und wurden stets nach dem gleichen Schema von einem Schriftführer protokolliert. Zuerst wurde der Beginn der Sitzung mit Datum und Uhrzeit festgehalten, wer die Eröffnung vornahm und wie viele Mitglieder oder Gäste anwesend waren. Im offiziellen Teil wurden die Vortragsthemen erfasst sowie wichtige Angelegenheiten, einzuhaltende Termine oder Probleme, die während einer Versammlung zur Sprache kamen. Außerdem wurden anstehende Ausflüge oder bevorstehende Festlichkeiten, wie Theateraufführungen, Fastnachtsvergnügen oder Feiern, organisiert, nicht zuletzt um die Vereinskasse zu füllen. Darüber hinaus wurden Einladungen anderer Vereine, Anschaffungen, z. B. einer Fahne, oder Baumaßnahmen am Vereinsheim dokumentiert. Während der Vereinssitzungen wurden regelmäßig Lieder gesungen, die der Schriftführer ebenfalls protokollierte und sich als Übersicht im Anhang des Buches wiederfinden. Die Protokolle endeten stets mit der Zeitangabe sowie der Unterschrift des Schriftführers. Natürlich durfte die Unterhaltung bzw. das Vergnügen nicht fehlen. Für gewöhnlich folgte nach dem teilweise sehr kurzen „Offiziellen“ laut der Protokolle der gelegentlich ausschweifende „gemütliche Teil“, bei dem die Gesellen sich unterhielten, Karten spielten, knobelten oder verschiedene Anlässe feierten.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam das Vereinsleben zum Erliegen und der katholische Gesellenverein stellte seine Arbeit ein. Die Protokollierung endete somit 1935 und wurde erst 1947 wieder aufgenommen. Die Veröffentlichung der Wolfenbütteler Protokollbücher ermöglichen einen einmaligen Einblick in das alltägliche Vereinsleben eines katholischen Vereins und spiegeln die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen der Jahre zwischen den Weltkriegen wider.
Die Reihe zur historischen Vergegenwärtigung schwer zugänglicher Quellen wird fortgesetzt. Die Autoren arbeiten zurzeit an der Transkription der einzigartigen Predigten und Ansprachen des katholischen Pfarrers Joseph Müller, der 1944 durch die Nationalsozialisten hingerichtet wurde.
Die Protokollbücher des Katholischen Gesellenvereins St. Joseph in Wolfenbüttel von der Gründung 1919 bis 1935. Ein Beitrag zur Geschichte der Wolfenbütteler katholischen Gemeinde. Einleitung und Abschrift der Protokollbücher von Maria und Hubert Kaufhold. Reihe: Hildesheimer Chronik, Beiträge zur Geschichte des Bistums Hildesheim, Band 27, Schriftenreihe des Bistumsarchiv Hildesheim, hrsg. von Thomas Scharf-Wrede, ISBN: 978-3-7954-1010-0, Hildesheim 2022.
Text: Dr. Julia Zech, Bistumsarchiv Hildesheim