Erzbistum München-Freising


 

Findbuch zum Nachlass Weihbischof Neuhäuslers online

Weihbischof Johannes Neuhäusler (1888–1973) war lange Jahre der wichtigste Mann in der „zweiten Reihe“ der Erzdiözese München und Freising. Er gilt zudem als Schlüsselfigur des deutschen Katholizismus in der Zeit der NS-Diktatur. Ein detailliertes Findbuch zu seinem umfangreichen und vielschichtigen schriftlichen Nachlass ist nun im Digitalen Archiv des Erzbistums online zugänglich.

Johannes Neuhäusler wurde als zehntes Kind eines Bauern und Fuhrunternehmers in Eisenhofen im Dachauer Land geboren. Während seiner Schul- und Studienzeit in Scheyern, Freising und München fiel er bald durch hohe Begabung auf. 1913 empfing er in Freising die Priesterweihe und legte 1917 den „Pfarrkonkurs“ als Jahrgangsbester ab. In der Folge wurde er mit vielfältigen Aufgaben betraut: Präsident des Ludwig-Missions-Vereins (heute: missio München), Aufbau des Exerzitienhauses und Spätberufenenseminars in Schloss Fürstenried, Präsident des Landeskomitees für Pilgerfahrten (heute: Bayerische Pilgerbüro). 1932 wurde Neuhäusler ins Metropolitankapitel München aufgenommen. Ab 1933 war er im Auftrag von Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber als kirchenpolitischer Referent verantwortlich für die Beobachtung kirchenfeindlicher Agitation des NS-Regimes, für die Koordination von Gegenmaßnahmen sowie für Kontakte mit den staatlichen Stellen. Bereits 1933 erstmals kurz verhaftet, wurde er 1941 „wegen Verbindung mit dem politischen Katholizismus im Ausland“ unter dem Verdacht der Spionage und des Volksverrats von 1941 an bis zur Befreiung 1945 zunächst im Konzentrationslager Sachsenhausen, dann in Dachau gefangen gehalten. In seiner 1946 erschienenen Dokumentation „Kreuz und Hakenkreuz“ verteidigte er die Haltung der Katholischen Kirche in der NS-Zeit. Zugleich setzte er sich für angeklagte Nationalsozialisten ein. 1947 zum Weihbischof für das Erzbistum München und Freising bestellt, engagierte sich Neuhäusler u.a. für die Errichtung der Landvolkshochschule auf dem Petersberg bei Dachau, die Vorbereitung und Durchführung des Eucharistischen Weltkongresses in München 1960 sowie für den Bau einer Gedenkkapelle und eines Klosters der Unbeschuhten Karmelitinnen auf dem Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau.

Aufgrund der zahlreichen und vielfältigen Aufgaben finden sich schriftliche Niederschläge von Neuhäuslers Tätigkeit in verschiedenen Beständen des Archivs des Erzbistums: Dienstliche Akten aus der Zeit vor der Bischofsweihe 1947 – insbesondere solche des politischen Referenten – sind der Überlieferung des Generalvikariats (Realia) zugeordnet, Unterlagen zur Tätigkeit beim Ludwig-Missions-Verein, beim Bayerischen Pilgerbüro und bei der Organisation des Eucharistischen Weltkongresses der Überlieferung dieser Institutionen. Der von Neuhäusler übernommene und in seine Unterlagen eingearbeitete Nachlass des Gefängnisseelsorgers Karl Morgenschweis bildet heute wieder einen eigenen Bestand (mit Online-Findbuch).

Eine strikte Trennung von dienstlichen und privaten Unterlagen ist angesichts der Ämterfülle und Arbeitsweise Neuhäuslers sowie seiner ausgedehnten Sammeltätigkeit nicht möglich, für seine Zeit als Weihbischof auch nicht sachgerecht. So finden sich in den 822 Verzeichnungseinheiten des „Nachlasses“ neben privatem wie dienstlichem Schriftgut auch eine Briefmarkensammlung und zahlreiche Fotos. Inhaltlich umfasst der Bestand persönliche Notizen und Dokumente, eigene Publikationen, Korrespondenz, Unterlagen zu Kongressen und Pilgerreisen sowie umfangreiche Materialsammlungen zur Rolle der Kirche im Dritten Reich, zu Widerstandsbewegungen, Figuren des Nationalsozialismus, Konzentrationslagern, zum Umgang mit dem Nationalsozialismus nach 1945 und zu Kriegsverbrecherprozessen.

Die komplizierte Geschichte des Bestandes und seine archivische Bearbeitung sind in einer ausführlichen Einleitung zum Online-Findbuch erläutert. Alle Verzeichnungseinheiten sind sicht- und recherchierbar. Die Bestellbarkeit richtet sich nach den von der Kirchlichen Archivordnung (KAO) festgelegten Schutzfristen; unter bestimmten Voraussetzungen ist für wissenschaftlichen Forschungen jedoch deren Verkürzung möglich.

Neuhäuslers Wirken während der NS-Diktatur und seine spätere Darstellung der Rolle der Katholischen Kirche in dieser Zeit sind Gegenstand einer Dissertation, die derzeit am Institut für Kirchengeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München entsteht. Darüber führte die Katholische Nachrichtenagentur kürzlich ein Interview mit dem Doktoranden Fabian Flohr.   

Text: Dr. Roland Götz / Foto: Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising