Erzbistum Freiburg
Kuriosa aus dem EAF: Fasnacht im Knabenkonvikt

Die sogenannte fünfte Jahreszeit, die für manche Menschen ein absolutes, spätestens seit Weihnachten herbeigesehntes Highlight im Jahreslauf ist, bei anderen hingegen Unverständnis oder Kopfschütteln hervorruft und die Polizei und Politik schon weit im Voraus beschäftigt – Stichworte öffentliche Unordnung oder Diskussionen um ein Alkoholverbot – hat auch im Erzbischöflichen Archiv Freiburg (EAF), man glaubt es kaum, Spuren hinterlassen, recht bunte sogar.

Eine dieser Spuren führt zum Erzbischöflichen Studienheim St. Konrad in Konstanz, dem „Konradihaus“. Dieses wurde, damals unter der Bezeichnung „Knabenkonvikt“, im Jahr 1864 errichtet, um dadurch dem seinerzeit herrschenden, als gravierend und geradezu existenzgefährdend empfundenen Priestermangel abzuhelfen – aus heutiger Sicht wäre jener Mangel freilich eher ein Überfluss. Insgesamt gab es vorübergehend bis zu fünf derartige „Priesterzuchtanstalten“ im Erzbistum Freiburg, außer in Konstanz noch in Freiburg, Rastatt, Sigmaringen und Tauberbischofsheim – heute existiert keines dieser Internate mehr. Die Studienheime waren zeitweilig so erfolgreich bei der Generierung von Priesternachwuchs, dass Anfang des 20. Jahrhunderts ein Erzbischof angesichts von 60 oder 70 Weihekandidaten ausgerufen haben soll: „Was fange ich nur mit euch allen an?“
Die in diesen Internaten lebenden jungen Männer, die humanistische Gymnasien besuchten und auf das Theologiestudium vorbereitet wurden – sie sollten „Papst“ von der Pike auf lernen – waren großenteils ganz normale Heranwachsende, die sich trotz immer wieder eingeforderter strenger Disziplin entsprechend benahmen und Gelegenheiten zum Feiern gern nutzten. Von den jeweiligen Hausleitungen wurde dies aus pädagogischen Gründen bisweilen unterstützt – natürlich nur in Maßen. So wurde also im Konradihaus in der Narrenhochburg Konstanz die Fasnacht – oder wie auch immer die korrekte Bezeichnung lautet – knabenkonviktgemäß gebührend gefeiert.
Im Zentrum der Festivitäten des Jahres 1953 stand eine Aufführung von „Zeus und Maier oder Götterdämmerung“, einer „romantisch-komischen Operette“ für sechs Männerstimmen und Klavier. Musik spielte im Konradihaus immer eine wichtige Rolle, und entsprechend begabte Zöglinge erhielten eine profunde musikalische Ausbildung. Regie führte Rektor Erwin Hogg, der sicherlich dafür sorgte, dass Zucht und Ordnung gewahrt waren. Die Ausführenden waren allesamt Oberstufenschüler, die nicht nur musikalisch hinreichend fit waren, sondern auch den Stimmbruch bereits hinter sich hatten. Alle Sänger bestanden 1954 die Reifeprüfung und sind auf dem offiziellen Abiturfoto verewigt, während der Klavierspieler Raimund Hug noch ein Jahr länger die Schulbank drücken musste. Das als Unikat im EAF erhaltene Plakat malte Dieter Broxtermann, der zugleich die Rolle des Kriegsgottes Mars übernommen hatte.

Zwei der Ausführenden wurden später tatsächlich Priester und blieben zeitlebens der Musik treu: Raimund Hug absolvierte nach der Vikarszeit noch ein Orgel- und Kapellmeisterstudium in Wien und wirkte von 1969 bis 2002 als Domkapellmeister in Freiburg, wobei er, anders als 1953, in späteren Jahren nur noch an der Orgel, aber nicht mehr beim Klavierspielen die Füße zu Hilfe nahm. Dieter Broxtermann war – ohne Musik studiert zu haben – zeitweilig Domchordirektor in Osnabrück. Zwei der Interpreten wurden Lehrer und profilierten sich darüber hinaus auch auf anderen Tätigkeitsfeldern: Hans Rudigier trat als bildender Künstler hervor, und Karl Schmider war als komponierender Kirchenmusiker zeitweilig recht erfolgreich; sein umfangreiches musikalisches Schaffen wird heute im EAF verwahrt. Und auch die drei übrigen seinerzeitigen Operettenstars des Konradihauses fanden außerhalb des Klerus‘ einen guten Platz im Leben.
Text: Dr. Christoph Schmider / Fotos: Erzbischöfliches Archiv Freiburg