Erzbistum München und Freising

Neuerscheinung: Kirchliche Quellen zu Sexualität und Partnerschaft

Wie kommt Liebe ins Archiv? Mit dieser Frage beschäftigt sich der neue Band der Schriften von Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising: „Kirchliche Quellen zu Sexualität und Partnerschaft. Sechs ‚Fälle‘ im Originaltext“.

Dass so persönliche Lebensbereiche wie Sexualität und Partnerschaft im Archiv aufscheinen, setzt voraus, dass eine Behörde sich damit beschäftigte, dabei Schriftstücke produzierte und dass diese auch über die Zeiten erhalten blieben. Ist das aber der Fall, kann gerade das so spröde erscheinende Verwaltungsschriftgut tiefe Einblicke erlauben: Es liefert konkrete Namen, Orte, Daten und Details.

Zu bedenken ist dabei freilich: In den amtlichen Akten schlagen sich naturgemäß zumeist problematische Sachverhalte nieder, die nicht kurzschlüssig zu einer Skandalchronik verallgemeinert werden dürfen. Aussagen von Streitparteien sind natürlicherweise interes-sengeleitet und deshalb entsprechend kritisch zu interpretieren. Oft kann der „Normalfall“ einer Beziehung aber durch die geschilderten Abweichungen von der Norm bzw. den Erwartungen zumindest annähernd erschlossen werden.

Welche Quellengattungen gerade kirchlicher Herkunft welche Auskünfte geben, wird hier anhand der Bestände des Archivs des Erzbistums München und Freising als eines der großen katholischen Diözesanarchive in Deutschland erstmals gezeigt. Sechs wahre „Fälle“ beleuchten wichtige Aspekte des Themas – von der gescheiterten Verlobung bis zum sexuellen Missbrauch. Vier Kirchenhistoriker:innen und Historiker:innen haben die bisher unbekannten Texte ausgewählt und aufbereitet. Die jeweils vollständig wiedergegebenen und ggf. auch übersetzten Quellen lassen Menschen vergangener Epochen selbst zu Wort kommen. Sie eröffnen neue Zugänge zum „wirklichen“ Leben und liefern historische Fakten zur aktuellen Diskussion.

Der Band erscheint im Zusammenhang mit der vielbeachteten Ausstellung „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst.“ des Diözesanmuseums Freising, doch reicht seine Bedeutung weit darüber hinaus. Er richtet sich an Forscher:innen ebenso wie an alle an Geschichte Interessierten. Er macht sichtbar, aus welchen Informationsbausteinen die historische Forschung gerade bei einer quellenmäßig schwer greifbaren Thematik wie Sexualität und Partnerschaft ihre Aussagen aufbauen muss. Die Abbildungen zeigen, mit welchen Originaldokumenten es die Forscher:innen zu tun bekommen und welchen Aufwand Recherche, Transkription, sprachliches Verständnis und inhaltliche Auswertung erfordern. Dabei soll aber auch deutlich werden, dass sich dieser Aufwand letztlich lohnt, weil so Informationen zutage gefördert werden, die auf anderem Wege kaum zu gewinnen sind.

Inhalt

  • Johannes Merz / Christoph Kürzeder: Vorwort
  • Roland Götz: Einführung: Quellen zu Sexualität und Partnerschaft im Archiv des Erzbistums München und Freising
  • Christopher Kast: Die Ehezuerkennungsklage von Michael Wolgemut gegen die Malertochter Magdalena vor dem Freisinger Offizialat, 1471
  • Roland Götz: Der Eheverspruchsprozess von Maria Margaretha Fischer gegen Michael Franz vor dem Archidiakonatsgericht Baumburg, 1664-1665
  • Irmgard E. Zwingler: Zwei Fälle von Missbrauch in Münchner Frauenklöstern, 1769
  • Maria Hildebrandt: Der Peitinger Pfarrer Franz Xaver Kuile und die Vergewaltigung der Köchin Maria Elisabeth Lidl, 1783-1784
  • Roland Götz: Die uneheliche Mutter Elisabeth Babl, 1833-1892

Buchdaten

  • Roland Götz (Hrsg.), Kirchliche Quellen zu Sexualität und Partnerschaft. Sechs „Fälle“ im Originaltext (= Schriften von Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising 20), Regensburg (Verlag Schnell & Steiner) 2023; 254 S. mit 26 Abb.; ISBN 978-3-7954-3855-5; € 19,90
  • Bezug über den Buchhandel, den Shop des Diözesanmuseums Freising oder den Verlag Schnell & Steiner, Leibnizstraße 13, 93055 Regensburg; Tel. 0941/78785-26, Fax -16; E-Mail: bestellung@schnell-und-steiner.de

Veranstaltungen

  • Ein Teil der im Buch abgedruckten Dokumente ist noch bis zum 2. Juli 2023 in der Sonderausstellung „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst.“ des Diözesanmuseums Freising zu sehen.
  • Am 25. Mai 2023 und am 16. Juni 2023 werden sie (und weitere Quellen) von Roland Götz in der Veranstaltungsreihe „DIMU-DATE“ erläutert. Anmeldung: Montag bis Freitag unter kunstvermittlung@dimu-freising.de

Foto: Verlag Schnell & Steiner, Regensburg

Text: Dr. Roland Götz